Es geht in unserer Wohlstandsgesellschaft nicht mehr ums Überleben, sondern in erster Linie ums Erleben. Wir sind auf der Suchen nach Glück und Zufriedenheit, und dabei spielt die Vermehrung der Möglichkeiten und die Wahlfreiheit eine entscheidende Rolle.
Das Erlebnis hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, zwischenzeitlich hat die Erlebnis- und Tourismusindustrie sich dem Erlebnis bemächtigt, bietet sie so ziemlich alles an, um dem gestressten oder entleerten Alltag eine pralle Erlebnistüte entgegen zu halten. Anstatt echte Erlebnisse und Abenteuer anzubieten, die unser Leben ganzheitlich befruchten, werden ‚Rundum-Sorglos-Kreuzfahrten‘ mit Termingarantie und Versicherungspaket angepriesen: Zum Beispiel grenzüberschreitende Adrenalinkicks wie einen Bungeesprung von einer 200m hohen Brücke oder der Konsum einer Netflix-Serie als eine Art Stellvertreter-Erlebnis. Meines Erachtens sucht der heutige Mensch den Nervenkitzel, scheut jedoch jedes Risiko. Er sucht das Erlebnis, darf aber auf keinen Fall Schaden nehmen oder echtem Risiko ausgesetzt werden.
Während wir zunehmend ständiger Reizüberflutung ausgesetzt sind, wird meiner Beobachtung nach, das wahre Erlebnis, ein reales Abenteuer nur noch zur Ware „Abenteuer“.
Wahre Abenteuer dagegen sind komplex und lehrreich. Sie sind ein Wagnis! Der Mensch will Abenteuer und braucht diese auch. Diese Abenteuerlust lässt sich bis heute an jedem Kind beobachten, da es klettern, springen, über Abgründe balancieren möchte. Es sucht die Erfahrung des Unvorhergesehenen, um seine Grenzen zu testen, zu überschreiten und zu erweitern. Kinder wollen - und brauchen - das „Abenteuer“ für die Entfaltung ihrer seelischen, körperlichen und geistigen Potenziale. Der Erwachsene braucht sie ebenfalls, weil sie Gefahrenumgang üben, unentbehrliche Lernprozesse auslösen, das Krisenmanagement schulen, Selbstsicherheit bewirken.
Der Kern des Abenteuers ist also nicht das Abenteuer selbst, sondern der Lernprozess mit ungewissem Ausgang und Veränderungspotential. Dabei ist nicht nur der Kopf beteiligt, vielmehr sind alle Sinne gefordert. Jedoch geht es nicht darum ‚Kopf und Kragen zu riskieren‘, sondern nur so viel an Unsicherheit zu wagen, wie der einzelne sich durch seine Kompetenzen in Sicherheit zu verwandeln zutraut. Eine Persönlichkeit reift erst, wenn sie sich der unsicheren Realität stellt.
Mehrtägige Expeditionen in einem gewissen Abstand zur Zivilisation nutzen die herausfordernde Naturlandschaft und die Möglichkeiten, die durch dieses Umfeld geboten werden. Die wilde Landschaft bietet mit ihren natürlichen Herausforderungen das entscheidende Lernfeld währen einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Ziel zu erreichen ist. Die Auseinandersetzung mit oftmals extremen Bedingungen in Form von Kälte, Wind oder peitschendem Regen, die Navigation durch ein unbekanntes Gelände, die Einteilung der körperlichen Energie und die Reduktion gewohnter Annehmlichkeiten fordern aktives Handeln und bieten eine Grundlage für Erfahrungen, Erkenntnis und Entwicklung.
Auf einer Expedition haben die Teilnehmer viel Ungewisses und Unstrukturiertes, wobei sehr intensive Prozesse ausgelöst werden können und authentische Feedbacks deutlich werden. Damit meine ich dass durch andauerndem Regen oder nie enden wollende Lavawüste als Beispiel, mit „offenen Karten gespielt“ wird. Lebensstile, Verhalten und Denkmuster kommen unweigerlich an die Oberfläche, die Masken fallen, man kann sich nicht verstecken und „so-tun-als-ob“, was wiederum viel Feingefühl und Didaktik der Trainer und Coaches erfordert, damit die Elemente Natur, Gruppe und Erlebnis dem einzelnen Teilnehmer zu Wachstum verhelfen. Eine Expedition bietet eine Vielzahl von Chancen, Möglichkeiten und Vorteile, um zu Veränderung und Entwicklung beizutragen und diese anschliessend in den privaten wie betreiblichen Alttag zu transferieren.
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